Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

Doch ein bisschen HIV-Prävention in der COVID-19-Prävention?

Foto: beja15. Februar 2022 - Viele Organisationen, darunter UNAIDS, haben zu Beginn der COVID-19-Pandemie auf den Erfahrungsschatz der HIV-Prävention hingewiesen, der in der COVID-19-Prävention genutzt werden sollte. Dies scheint nun auch in Deutschland stärker in den Focus zu rücken.

Medial mit begrenzter Aufmerksamkeit verfolgt, hat der ExpertInnenrat der Bundesregierung zu COVID-19 Ende Januar seine 5. Stellungnahme "Zur Notwendigkeit evidenzbasierter Risiko- und Gesundheitskommunikation" veröffentlicht.

Der ExpertInnenrat sieht derzeit einen "Mangel an Übereinstimmung von verfügbaren Informationen, ihrer Bewertungen und den resultierenden Empfehlungen". Dies trage zur Verunsicherung der Bevölkerung bei, biete Angriffsfläche für Falsch- und Desinformation, untergrabe das Vertrauen in staatliches Handeln und gefährde den Erfolg von wichtigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit. "Um das Individuum und die Gesellschaft in ihrer Selbstwirksamkeit und risikokompetentem Verhalten zu unterstützen, ist eine reaktionsschnelle, evidenzbasierte, zielgruppen- und nutzerspezifische Risiko- und Gesundheitskommunikation unabdingbar", so das Gremium weiter.


Aufklärung statt Werbung: Informieren statt Überreden

Was der ExpertInnenrat empfiehlt, liest sich zum Teil wie eine Anleitung zur HIV-Prävention. Um eine erfolgreiche Gesundheitskommunikation sicherzustellen, empfiehlt das Gremium vier Bausteine:

  1. Der erste Baustein ist die Generierung des besten verfügbaren Wissens. Hierzu gehören für das Gremium Strukturen, die die Zusammenführung medizinischer und epidemiologischer Informationen, das regelmäßige Monitoring verhaltensrelevanter Aspekte und die Beobachtung von klassischen und sozialen Medien zur Identifikation von Trends und Falschinformationen erlauben.
  2. Der zweite Baustein ist die Übersetzung der relevanten Daten, Statistiken und Kennzahlen in nutzerzentrierte und zielgruppenspezifische, verständliche, entscheidungs- und handlungsrelevante Informationsformate. Ziel soll Aufklärung und nicht Werbung oder Persuasion ("Überreden") sein. Partizipative Ansätze sollen einbezogen werden. Soweit möglich, sind konkrete Entscheidungshilfen das Ziel.
  3. Der dritte Baustein ist die Verbreitung der kommunikativen Inhalte über die multiplen Kanäle einer modernen Informationsgesellschaft. Dabei ist es wiederum von zentraler Bedeutung, die Verbreitungskanäle zielgruppenspezifisch zu wählen. Es soll dabei berücksichtigt werden, dass verschiedene Zielgruppen über verschiedene Kanäle unterschiedlich gut erreichbar sind. Daher sieht das Gremium es als wichtig an, auch Multiplikator*innen in die Kommunikationsstrategie einzubeziehen.
  4. Der letzte Baustein ist die Evaluation der erzielten Effekte und falls notwendig die Anpassung der Strategie. Der ExpertInnenrat weist darauf hin, dass die Einbindung von Bürger*innen, zum Beispiel in Fokusgruppen oder Experimentalstudien, die Effektivität der Kommunikation wie auch das Vertrauen in die Kommunikator*innen erhöhen kann.

Zusammenfassend empfiehlt der ExpertInnenrat die Verbesserung der aktuellen Kommunikation und Informationsangebote nach den oben beschriebenen Prinzipien. Der ExpertInnenrat schlägt weiter vor, die Infrastruktur für Risiko- und Gesundheitskommunikation schnell auszubauen. Diese multidisziplinär ausgerichtete Infrastruktur sollte fachlich unabhängig sein. Sie sollte das beste verfügbare Wissen generieren und dieses für die Bevölkerung und die Fachöffentlichkeit übersetzen, an alle relevanten Zielgruppen verbreiten und den Effekt evaluieren.


Aussagen zum Thema Diskriminierung fehlen

Überraschend ist, dass die Problematik der Diskriminierung und deren Wirkung auf die Effektivität von Prävention in der Stellungnahme nicht reflektiert werden, obwohl das Robert Koch-Institut zum Beispiel in seinen Allgemeinen Hinweisen für Gesundheitsbehörden: Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit marginalisierten Bevölkerungsgruppen während der COVID-19-Pandemie im Sommer 2021 auf die Notwendigkeit eines diskriminierungssensiblen Vorgehens hingewiesen hat.

Dies gilt umso mehr, als das Virus selbst durch seine unterschiedlichen Folgen für verschiedene Bevölkerungsgruppen (zum Beispiel die höhere Sterblichkeit älterer Menschen) und das unterschiedliche Risiko einer Übertragung (zum Beispiel höhere Wahrscheinlichkeit der Übertragung zwischen Menschen in beengten Wohnverhältnissen) ein erhebliches Maß an Diskriminierungspotential in sich trägt.


Die Stellungnahme der ExpertInnenrates finden Sie unter bundesregierung.de.


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