Bericht zur HIV/Aids-Prävention 2022
Auch für 2022 beleuchtet der Bericht zur HIV/Aids-Prävention insbesondere, inwieweit sich die Trends in den Maßnahmenbereichen Beratung, Projekte/Veranstaltungen, Fachberatung/Fortbildung und Unterstützung der Selbsthilfe von Menschen mit HIV sowie bei den ehrenamtlichen Tätigkeiten, die mutmaßlich durch den Einfluss der Covid-19 Pandemie erhebliche Veränderungen erfahren haben, verstärkt oder sich wieder zurückentwickelt haben. Hier ist eine Einschätzung aus der Geschäftsstelle der AG Aids-Prävention
Rückblick
Das Jahr 2022 war ein bewegtes Jahr, das die Akteur*innen in der HIV/STI-Prävention erneut vor Herausforderungen gestellt hat. Unverändert beeinflusste die Covid19-Pandemie das gesellschaftliche Zusammenleben und damit auch die Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zunehmender Immunisierung gab es zwar nach und nach immer weniger Einschränkungen, gleichzeitig waren die Auswirkungen der vorhergehenden Monate und Jahre nach wie vor spürbar.
Das Jahr war außerdem geprägt durch den im Februar begonnenen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Viele Menschen flüchteten aus dem Land in die umliegenden Länder, mehr als eine Million Menschen davon nach Deutschland.
Im Frühsommer sorgte darüber hinaus ein rascher Anstieg an Mpox-Infektionen für Handlungsbedarf bei den Akteur*innen in der HIV/STI-Prävention. Das Land NRW konnte hier auf eine starke Ressource zurückgreifen: Aufgrund der langen etablierten Strukturen der HIV/STI-Prävention in NRW konnte die Präventions- und Impfkampagne schnell umgesetzt und so eine weitere Ausbreitung erfolgreich eingedämmt werden. Auch die Mitglieder der AG Aids-Prävention arbeiteten als Schnittstelle zwischen MAGS, den Kommunen und der freien Trägerschaft daran mit, dass Informationen rasch weitergegeben und die Kampagne umgesetzt wurden.
Die Entwicklungen des Jahres 2022 spiegeln sich auch inhaltlich die Arbeit vieler kommunaler und freier Träger wider. Im Bericht der landesweiten Datenerhebung sind diese Entwicklungen an unterschiedlichen Stellen sichtbar.Inhaltlich wurde sowohl von kommunalen Einrichtungen als auch von freien Trägern das Thema Mpox als neues Beratungsthema genannt. Berichtet wurde von Beratung zu Übertragungswegen- und Risiken und zu Impfungen. Erkennbar ist außerdem, dass das Thema LGBTIQ+ im Jahr 2022 einen besonderen Stellenwert eingenommen hat, nicht nur, aber besonders in sexualpädagogischen Angeboten für Jugendliche und in der sexuellen Bildung.
Der Wiederaufbau der vorherigen Strukturen beschäftigte die Fachkräfte. Im Freitext der Datenerhebung finden sich, wie in den Vorjahren auch, Themen, wie „Migration“ und „Flucht“. Auch die zahlenmäßige Auswertung der Datenerhebung zeigt, dass rund ein Viertel der Beratungen auf Menschen entfiel, die nach Deutschland eingewandert sind. Im letzten Jahr neu hinzugekommen sind – wie zu erwarten - Schlagworte, wie „Ukraine“ und „Krieg“.
Das Epidemiologischen Bulletin (35/2023) des RKI verzeichnet für 2022 3.239 Neu-Diagnosen für das Jahr 2022 (Vergleich 2021: 2.258), wobei 724 Fälle auf Menschen aus der Ukraine entfallen. Bei den meisten dieser Fälle handelt es sich nicht um tatsächliche Neudiagnosen einer HIV-Infektion, sondern um den erstmaligen Nachweis in Deutschland. Diese Entwicklung spiegelt sich in NRW bisher nur in geringem Ausmaß wider. Weitere Informationen finden Sie hierzu im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts (RKI) 47/2023. Die Daten der Landesweiten Datenerhebung eignen sich auch nicht, um ein dadurch entstehendes höheres Beratungsaufkommen statistisch zu untersuchen, da die Abfrage nicht auf eine Differenzierung der Herkunftsländer ausgelegt ist und die Anteile jeweils zu gering ausfallen, so dass keine statistische Relevanz belegt werden konnte. Aus Erfahrungsberichten sind aber Häufungen bekannt, die oft etwas mit Kultur- und Sprachkompetenzen von Berater*innen zu tun haben.
Beratung & Veranstaltungen
„Sowohl 2021 als auch 2022 befanden sich die Anteile der persönlichen/telefonischen sowie der online/per E-Mail durchgeführten Beratungen dann wieder auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit.“
Häufig wurde in den Schwerpunktthemen im Jahr 2022 der Wiederaufbau der Beratungs- und Präventionsangebote genannt, da durch die Lockerungen der Corona-Einschränkungen wieder mehr möglich wurde. Bewährte Strukturen und Angebote konnten so unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen und regionalen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten bedarfsgerecht wieder aufgenommen werden. Dies betraf besonders die aufsuchenden Angebote vieler Einrichtungen. Die Anzahl der Beratungen und Kontaktanteilen stieg wieder an. (siehe Bericht, verlinken). Auch die Kontaktzahlen im Maßnahmenbereich Projekte/Veranstaltungen haben sich erhöht, sind aber noch nicht wieder auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit.
Zielgruppen
bei genauerer Betrachtung zeigt sich auch, dass sich der Zugang zu manchen Zielgruppen noch nicht erholt hat. Auffällig ist der sinkende Kontaktanteil zu i.v. Drogen gebrauchenden Menschen und Sexarbeiter*innen .Auch die HIV/STI-Testzahlen in den Gesundheitsämtern in NRW, die das Landeszentrum Gesundheit erhebt, zeigen, dass die Testzahlen bei der Zielgruppe „Sexarbeiter*innen“ vergleichsweise niedrig sind .Dies deutet darauf hin, dass während der Corona-Einschränkungen Zugänge verloren gegangen sind, die noch nicht wieder aufgebaut werden konnten. Da laut Robert Koch-Institut in der Gruppe der i.v. Drogen konsumierenden Menschen die HIV-Neuinfektionszahlen leicht angestiegen sind, ist es wichtig, dass dies in den nächsten Monaten und Jahren besonders in den Fokus genommen wird.
Sexualpädagogik
viele an der Datenerhebung teilnehmende Einrichtungen bieten u.a. sexualpädagogische Workshops oder Veranstaltungen für Jugendliche und junge Erwachsene an. Die meisten davon gehören zum Netzwerk Youthwork NRW, das Sexualpädagogik und sexuelle Bildung im Sinne einer lebensnahen und ganzheitlichen Gesundheitsförderung anbietet. Im Jahr 2022 betrug der Anteil an Veranstaltungen mit sexualpädagogischen Inhalten 45%.
Um die Weiterentwicklung von Youthwork zu fördern, wurde im Jahr 2019 die Projektstelle Sexualpädagogik - HIV - STI ins Leben gerufen. Im Fokus stehen u.a. Themen, die die Youthworker*innen in ihrem Arbeitsalltag vor neue Herausforderungen stellen. So begleitet die Projektstelle die Auseinandersetzung mit Rassismus im Kontext der sexualpädagogischen Arbeit mit jungen Menschen und auch die zunehmende Konfrontation mit Queerfeindlichkeit und Sexismus innerhalb der Workshops.
Landesfinanzierte HIV-Tests in Nordrhein-Westfalen
im Jahr 2022 wurden laut Landeszentrum für Gesundheit Nordrhein-Westfalen an den Gesundheitsämtern des Landes bzw. in Kooperation mit diesen 15.168 konventionelle landesfinanzierte HIV-Tests durchgeführt. Es zeigt sich damit eine Erholung der Testzahlen und nähern sich dem Vor-Corona-Niveau (2021: 9.716 konventionelle Tests.) Es konnte außerdem festgestellt werden, dass Labortests sehr viel häufiger als Schnelltests genutzt werden (2022: 2.616 Schnelltests). Die Positivraten liegen 2022 im Schnitt bei 0,5%. Über die Jahre zwischen 2019 und 2022 schwanken die Positivraten im Vergleich um die 0,2% - 0,3%. Damit ist insgesamt, trotz der Corona-Pandemie, keine bedeutsame Veränderung der Positivrate bei den HIV-Erstdiagnosen nachweisbar.
Außerdem ist auffällig, dass trotz steigender Labor-Testungen die Anzahl der getesteten Personen mit dem Infektionsrisiko „Ausübung von Sexarbeit“ 2022 vergleichsweise sehr niedrig sind. Ähnlich wie in den Ergebnissen der Landesweiten Datenerhebung zeigt sich hier, dass die Zielgruppe "Sexarbeiter*innen" schlechter erreicht wurde. Die Testzahlen sollten daher in den kommenden Jahren genauer in den Fokus genommen werden.