Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

DRUCK-Studie: Zu wenig Wissen zu HIV und HCV sowie schlechter Zugang zu Behandlung

9. Juni 2015 - Zu wenig Detailwissen zur Übertragung von HIV und Hepatitis, eine hohe Anzahl von Hepatitis-C-Infektionen, unentdeckte HIV-Infektionen, Infektionsgefahren in Haft, schlechter Zugang zu Therapie:

So lassen sich die wenig erfreulichen Ergebnisse der DRUCK-Studie (Drogen und chronische Infektionskrankheiten in Deutsch­land) des Robert Koch-Institutes (RKI) über intravenös Drogen gebrauchende Menschen in Deutschland zusammenfassen.


Deutschlandweite Studie

Um aktuelle und deutschlandweite Daten zu erhalten, hat das RKI in Kooperation mit Einrichtungen der Drogenhilfe, der AIDS-Hilfen und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes von 2011 bis 2015 eine Studie zu Hepatitis B (HBV), Hepatitis C (HCV), dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) und dem Humanen-T-Lymphozyten-Virus (HTLV) unter i.v. Drogen gebrauchenden Menschen in Deutschland durchgeführt. Die Pilotstudie wurde in zwei, die Hauptstudie in weiteren sechs Studienstädten durchgeführt, zwei von den insgesamt acht in Nordrhein-Westfalen.


Prävalenzen von HIV, HCV und HBV, Verhalten sowie Wissen standen im Mittelpunkt

Erhoben wurden Informationen zu Infektionsrisiken und Verhaltensweisen von Menschen, die sich aktuell Drogen spritzen. Anhand von Blutproben wurden zudem serologische und molekularbiologische Marker für HBV, HCV, HIV und HTLV bestimmt. Mittels der Analyse des Risiko- und Präventionsverhaltens in Kombination mit den erhobenen Prävalenzen sollten Präventionsempfehlungen auf den neuesten Stand gebracht werden.


Viele konkrete Handlungsbedarfe stehen nun auf der Tagesordnung

Auf der Grundlage der Studienergebnisse wurde in folgenden Bereichen der Handlungsbedarf konkretisiert:

  • Die Ergebnisse zeigen hohe Seroprävalenzen von aktiven HCV-Infektionen und auch teilweise nicht bekannte HIV-Infektionen sowie teilweise eine niedrige HBV-Impfprävalenz. Soweit Drogen gebrauchende Menschen in Substitutionstherapie sind, sollte dieser regelmäßige Kontakt mit der ärztlichen Versorgung intensiver zum Angebot für Beratung und Test sowie auch für eine Impfung genutzt werden.
  • Handlungsbedarf besteht auch im Haftbereich, da hier Drogenkonsum in der Regel unsafe von statten gehen muss.
  • Obwohl die Testraten hoch waren, bestand bei vielen Menschen keine Klarheit über den vorhandenen Infektionsstatus. Die Notwendigkeit, HCV- und HIV-Tests regelmäßig durchzuführen, muss daher besser vermittelt werden.
  • Ebenso im Bereich Unsafe Use gibt es erhebliche Wissenslücken. Der gemeinsame Gebrauch von Spritzen und Nadeln fällt dabei nicht so stark ins Gewicht; das Wissen um die Gefahren der Weitergabe von Filtern, Löffeln und Wasser ist aber nicht ausreichend vorhanden.
  • Es fehlt an Detailkenntnissen zu den Übertragungswegen von HCV und zur HBV-Impfung.
  • Fast gänzlich fehlt die Aufklärung zur HIV-Therapie und zur Postexpositionsprophylaxe.
  • Niedrigschwellige Angebote von kurzen Beratungen inklusive dem Angebot von Schnelltests werden sehr gut angenommen und sind somit ein probates Mittel, die unbefriedigende Situation zu verbessern.
  • Der Anteil von Personen, die eine HIV-Behandlung und insbesondere eine HCV-Behandlung erhalten ist nach wie vor zu gering. Der Zugang zu Behandlung muss also deutlich verbessert werden.

Das Epidemiologische Bulletin Nr. 22 vom 1. Juni 2015 zu den Ergebnissen der Druckstudie finden Sie unter rki.de.

Weitere Details finden Sie unter den folgenden Überschriften.

Insgesamt wurden 2.077 Menschen in die Studie eingeschlossen; auch Menschen, die bisher keinen Kontakt mit der niedrigschwelligen Drogenhilfe hatten, konnten erreicht werden. Es handelte sich größtenteils um Personen mit bereits seit langer Zeit praktiziertem Drogenkonsum, die mediane Konsumdauer der Teilnehmenden betrug zwischen 10 und 18 Jahren.

Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen den acht Studienstädten, sowohl in der Alters- und Sozialstruktur, den primär konsumierten Substanzen als auch in der Prävalenz der getesteten Infektionen. Während Heroin von den Teilnehmenden in allen Studienstädten zum Zeitpunkt der Befragung sehr häufig konsumiert wurde, gab es deutliche Unterschiede beim Konsum von Kokain, Crack und Metamphetamin (Crystal) in den Studienstädten. Detaillierte Ergebnisberichte für die einzelnen Studienstädte werden demnächst veröffentlicht.

Unsafe-Use-Verhaltensweisen wurden sehr ausführlich abgefragt. Beim injizierenden Drogenkonsum in den letzten 30 Tagen berichteten zwischen 5–22 Prozent Spritzen und/oder Nadeln mit anderen geteilt zu haben, 32–44 Prozent gaben an, andere Utensilien wie Filter, Pfännchen oder Wasser geteilt zu haben.

Ein hoher Anteil der i.v. Drogen Gebrauchenden gab an, bereits mindestens einmal im Leben inhaftiert gewesen zu sein. Die häufigste Form der Inhaftierung stellte die Strafhaft dar.
Im Durchschnitt gab etwa ein Drittel der jemals Inhaftierten an, in Haft auch Drogen gespritzt zu haben und hierbei durch die Verwendung nicht steriler Injektionsutensilien zur Drogeninjektion ein Infektionsrisiko eingegangen zu sein. Drei Prozent aller teilnehmenden i.v. Drogen Gebrauchenden mit Hafterfahrung gaben an, in Haft mit dem i.v.-Konsum begonnen zu haben.

Die HIV-Prävalenz unter den Teilnehmenden schwankte innerhalb der Studienstädte zwischen 0–9 Prozent. Ein Großteil der HIV-Infektionen waren bereits vor mehr als 10 Jahren oder in den letzten 5 Jahren diagnostiziert worden. Trotz der Tatsache, dass die meisten HIV-Infektionen den Teilnehmenden bereits bekannt waren, wurden im Rahmen der DRUCK-Studie je nach Stadt zwischen 0–32 Prozent der HIV-Infektionen neu diagnostiziert.

Bis zu 54 Prozent der Teilnehmenden waren von einer aktiven, potenziell behandlungsbedürftigen Hepatitis C betroffen.

Die HBV-Impfprävalenz lag zwischen 15–52 Prozent. Die HBV-Prävalenz bewegte sich je nach Stadt zwischen 5–33 Prozent, wobei der Anteil aktiver Infektionen zwischen 0,3–3 Prozent lag.

65 Prozent derjenigen mit einem bekannt positiven HIV-Status gaben an, bereits jemals in ihrem Leben antiretroviral behandelt worden zu sein. Insgesamt berichteten 56 Prozent, zum Zeitpunkt der Studienteilnahme antiretroviral behandelt zu werden.
Ebenfalls aus der Gesamtstudienpopulation wurden 1.092 Personen identifiziert, die jemals Hepatitis-C-behandlungsbedürftig waren oder sind. Von diesen gaben 85 Prozent an, jemals in ihrem Leben ein positives Hepatitis-C-Testergebnis erhalten zu haben. 35 Prozent derjenigen mit positivem Vortest gaben an, jemals eine Interferon-basierte-Therapie erhalten zu haben.

Ein hoher Anteil der Teilnehmenden gab an, bereits jemals zuvor auf HIV bzw. auf HCV getestet worden zu sein. Als häufigste Orte der Testung auf HIV und HCV wurde übereinstimmend in allen Studienstädten das Krankenhaus genannt, gefolgt von Substitutionseinrichtungen und -praxen.
Eine HIV-Testung in Haft oder im Haftkrankenhaus wurde erheblich häufiger als eine HCV-Testung in diesem Setting angegeben.
Im Vergleich zu den Orten der Testung weichen Orte, von denen Teilnehmende berichten, eine Hepatitis-B-Impfung erhalten zu haben, teilweise ab: Hier spielen Arztpraxen ohne suchttherapeutischen Schwerpunkt die Hauptrolle.

Das allgemeine Wissen zu HIV, HBV und HCV erwies sich als relativ hoch. Spezifischeres Wissen zu HCV-Übertragungsmöglichkeiten beim Drogenkonsum hingegen war weniger präsent: Vor allem die HCV-Infektionsmöglichkeit beim Sniefen, aber auch durch die gemeinsame Benutzung von Filtern und Wasser sind nicht ausreichend bekannt. Noch weniger ausgeprägt war das Wissen zu HBV, speziell zum Thema Impfen. Das Wissen im Bereich HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP)/HIV-Behandlung war am geringsten.

Die Studie zeigt grundsätzlich die hohe Akzeptanz von Angeboten der Testung auf Infektionsmarker von HIV, HBV und HCV und der Beratung in Einrichtungen der Drogenhilfe, insbesondere in Form von kurzen, gezielten Interventionen. Eine hohe Akzeptanz der Beratung war zu verzeichnen, wenn das Angebot fokussiert und unmittelbar verfügbar war, sowie nur kurze Zeit in Anspruch nahm (10 Minuten).
Das kostenlose und freiwillige HIV-Schnelltestangebot während der DRUCK-Studie wurde in den verschiedenen Städten von bis zu 50 Prozent der Teilnehmenden angenommen. Besonders günstig erwies sich ein niedrigschwelliges und während der Studienzeiten verfügbares Angebot und gut geschultes und motiviertes Personal in der Studieneinrichtung. Vorteilhaft waren die Kooperationen mit der lokalen AIDS-Hilfe oder auch mit dem Gesundheitsamt, entweder durch ein Schulungsangebot dieser Einrichtungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Drogenhilfe im Vorfeld der Studie oder durch ein lokales Angebot in der Drogenhilfe durch diese Kooperationspartner.