Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen
27. Juni 2022 - Die seit dem 31. Mai 2022 zwischen CDU und GRÜNEN laufenden Koalitionsverhandlungen wurden zum Abschluss gebracht. Am 23. Juni 2022 wurde der Koalitionsvertrag mit dem Titel "Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen" vorgestellt. Am vergangenen Wochenende stimmten die Parteitage der CDU sowie der GRÜNEN dem Vertrag zu. Heute wurde er unterzeichnet.
Wir präsentieren Ihnen hier einige themenbezogene Auszüge:
Nur ein Gesundheitswesen, das Inklusion schafft und Diversität ermöglicht, ist ein gutes und patientenorientiertes Gesundheitswesen. Wir werden deshalb ein Maßnahmenpaket zur Förderung von Inklusion und Diversität im Gesundheitswesen auflegen. Dazu gehört die Sicherstellung einer inklusiven und diskriminierungsfreien Gesundheitsversorgung.
Wir wollen bestehende Beratungsangebote der Clearingstellen zur gesundheitlichen Versorgung von Menschen aus Nicht-EU-Ländern ohne Papiere oder Versicherungsschutz verstetigen und unter Einbeziehung virtueller Instrumente das Know-how in die Fläche bringen. Aus humanitären Gründen schaffen wir zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung für Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus einen anonymen Krankenschein und werden diesen mit einem Fonds finanziell absichern. Wir entwickeln auf der Grundlage der im Bund geplanten Verankerung des Anspruchs auf angemessene Sprachmittlung in der medizinischen Versorgung entsprechende Strategien – auch digital.
Wir unterstützen Angebote in der HIV-Prävention und zu sexuell übertragbaren Krankheiten.
Während der Pandemie ist deutlich geworden, wie wichtig ein gut aufgestellter Öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) ist. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass er in Zusammenarbeit mit dem weiter zu entwickelnden Landeszentrum Gesundheit (LZG) in Zukunft noch mehr als Impulsgeber für eine aktive Gesundheitspolitik agieren kann. Wir stärken die Gesundheitsämter bei der Ausführung ihrer gesetzlichen Aufgaben durch die konsequente Umsetzung des ÖGD-Pakts. Dazu zählen auch die Konzeption und Entwicklung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Wir starten eine Digitalisierungsoffensive für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, der die Gesundheitsberichterstattung und das Monitoring, die Planungsprozesse und die Kommunikation zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen optimiert. Das Landeszentrum Gesundheit ist dabei Motor für die notwendige Digitalisierung und sorgt für einheitliche Standards und Schnittstellen. Wir werden die Weiterentwicklung des Landeszentrums zu einem Landesgesundheitsamt prüfen.
Das Behandlungs- und Beratungsangebot für kranke, pflegebedürftige und suchtkranke Inhaftierte werden wir weiter verbessern und ausweiten, insbesondere in dem Bereich psychischer Erkrankungen sowie der HIV- und HCV-Prävention. Bei der medizinischen, psychosozialen und psychiatrischen Versorgung in Haftanstalten ist der Einsatz von Telemedizin eine sinnvolle Ergänzung.
Nordrhein-Westfalen verfügt über gute und flächendeckende Strukturen der Suchtprävention und -beratung. Zugleich stellen sich angesichts der Pandemie, im Bereich nicht legaler Drogen und dem Aufkommen neuer nicht stoffgebundener Suchtverhaltensformen neue Herausforderungen. Es gilt die Menschen noch besser zu erreichen. Wir entwickeln deshalb die vorhandenen Strukturen und Angebote weiter und stärken kultursensible, zielgruppenbezogene Präventionsangebote. Wir unterstützen Initiativen, mit denen Drug-checking und Maßnahmen der Schadensminderung in der Drogenpolitik erleichtert werden sollen, und verbinden diese mit Beratungsangeboten.
Ein vom Bundestag zur Vermeidung von unkontrolliertem Cannabis-Konsum auf den Weg gebrachtes Cannabis-Kontrollgesetz werden wir mit Blick auf Jugend- und Verbraucherschutz sowie Gesundheitsschutz ergebnisoffen prüfen und bei einem Inkrafttreten in Nordrhein-Westfalen konsequent umsetzen.
Spezialisierte Beratungsstellen für Betroffene von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Zwangsprostitution sowie Prostituierten- und Ausstiegsberatung werden wir, vor allem im ländlichen Bereich, bedarfsgerecht finanziell stärken. Wir richten ein Fachforum zu Menschenhandel, Zwangsprostitution und Prostitution ein.
Wir wollen eine gute Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen sicherstellen. Mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte wurde ein erster Schritt zur Eingliederung von Asylsuchenden in das Gesundheitssystem gemacht. Wir wollen Anreize schaffen, damit die elektronische Gesundheitskarte in allen Kommunen eingeführt wird, diese können auch finanzieller Art sein. Auch wollen wir untersuchen, inwieweit der Rahmenvertrag mit den Krankenkassen neu verhandelt werden kann. Psychosoziale Zentren und psychosoziale Beratung wollen wir stärken. Außerdem wollen wir prüfen, wie der Zugang von Asylsuchenden zu psychotherapeutischen Leistungen über das bisherige Maß hinaus verbessert werden kann.
Wir wollen die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer interkulturell geprägten Einwanderungsgesellschaft in der Gesundheits- und Pflegeversorgung stärker in den Blick nehmen. Dafür wollen wir sicherstellen, dass Sprach- und Kulturmittlerinnen und -mittler den Zugang für Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu Gesundheitsleistungen unterstützen.
Den Abbau von Diskriminierung betrachten wir als eine zentrale Aufgabe der Politik. Wir werden bestehende Schutzlücken des "Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes" (AGG) durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz schließen und so die Rechte der Betroffenen stärken. Ferner wird eine Antidiskriminierungsstelle auf Landesebene eingesetzt. Wir wollen es allen Menschen ermöglichen, Diskriminierungen in den Zuständigkeitsbereichen des Landes zu melden und gegen diese auch rechtlich vorzugehen.
Wir arbeiten dafür, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, inter*, nicht-binäre und queere Menschen (LSBTIQ*) in Nordrhein-Westfalen ohne Angst, frei und selbstbestimmt leben können. Wir verstärken den Einsatz des Landes gegen Diskriminierung und für eine offene Gesellschaft.
Wir verbessern die Lebenssituation für LSBTIQ*-Menschen in Nordrhein-Westfalen und stärken die Vielfalt unserer Zivilgesellschaft, indem wir den landesweiten Aktionsplan für Vielfalt und gegen Homo- und Transfeindlichkeit weiterentwickeln und konsequent umsetzen. Er sorgt für Gleichstellung durch Aufklärung, Bildung und Schutz. Er soll in allen Ministerien umgesetzt und als Querschnittsaufgabe dauerhaft verankert werden.
Landesweite Fachstellen bauen wir ebenso aus wie das Angebot von niedrigschwelliger und intersektionaler Beratung, Koordination, Kinder- und Jugendarbeit, Seniorinnen- und Seniorenarbeit, psychosozialer Beratung und Selbsthilfegruppen vor Ort.
Insbesondere auch jenseits der großen Städte wollen wir Angebote fördern, auch im digitalen Bereich. Dies gilt insbesondere für Jugendliche.
Wir wollen Sichtbarkeit und Akzeptanz fördern, indem wir vor allem die kleineren Christopher-Street-Days (CSD) im ganzen Land und so die meist ehrenamtliche LSBTIQ*-Community flächendeckend unterstützen.
Wir erstellen ein wirksames Konzept für die Bekämpfung von Hasskriminalität und wollen die Anzeigebereitschaft bei Hassgewalt erhöhen und damit die Dunkelziffer senken. Daneben sollen die Sicherheitsbehörden zu LSBTIQ*-Themen und Hassverbrechen weiter sensibilisiert werden, z. B. durch Aus- und Weiterbildungsprogramme. Wir werden prüfen, wie wir die Polizeiliche Kriminalstatistik gegen LSBTIQ*, Tätergruppen und Motive erweitern können. Diese werden regelmäßig veröffentlicht.
Wir wollen die Datenbasis zur Gesundheit und sozialen Situation von LSBTIQ*- Personen verbessern und Forschungslücken schließen. Wir wollen die gesundheitliche Versorgung von LSBTIQ*-Menschen verbessern. Wir entwickeln gemeinsam mit den Betroffenen Konzepte, um bestehende Selbsthilfestrukturen zu stärken und weiterzuentwickeln. Wir werden der kulturellen Vielfalt, der Diversität und den neuen Herausforderungen durch den Zuzug von Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlicher Geschlechteridentität im Gesundheitswesen gerecht und stellen eine gute Versorgung ohne Diskriminierung sicher. Wir werden dies mit einem Forschungsauftrag untersuchen.
LSBTIQ*-Seniorinnen und -Senioren sind eine besonders vulnerable Gruppe und brauchen entsprechende Schutzräume und Angebote. Die Pflege muss kultur- und LSBTIQ*-sensibel ausgerichtet sein. Deshalb sollen Fach- und Pflegekräfte entsprechend sensibilisiert und geschult werden. Dies hilft beim Abbau von Ängsten und Vorurteilen.
Wir verbessern den Gewaltschutz in Landeseinrichtungen für Geflüchtete und unterstützen die Kommunen dabei, LSBTIQ*-Geflüchtete in speziellen Wohnformen mit besonderen Schutzkonzepten unterbringen zu können. Gleichzeitig wollen wir LSBTIQ*-Akzeptanz stärker in die Integrationsarbeit einbeziehen.
Die Aufarbeitung der historischen Verfolgung und Ausgrenzung von LSBTIQ*-Menschen wollen wir fortsetzen, z. B. mit einem Forschungsprojekt zur Aufarbeitung des Sorgerechtsentzugs bei lesbischen Müttern. Zudem soll das Angebot bei der "Landeszentrale für politische Bildung" aufgestockt werden. Das gilt sowohl für Geschichtsliteratur, vor allem zur NS-Verfolgung, als auch für aufklärende Literatur und Angebote rund um das Coming-out.
Wir unterstützen die Erweiterung von Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz, um LSBTIQ*-Menschen vor Diskriminierung zu schützen.
Die Engagementstrategie ist kontinuierlich partizipativ weiterzuentwickeln und anzupassen. In 2023 soll ein Monitoring der Engagementstrategie durchgeführt werden. Die bereits begonnenen Umsetzungsschritte werden zügig vorangetrieben und verstetigt. Bei der Umsetzung wollen wir mit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) eng zusammenarbeiten.
Steuerliche Erleichterungen und Abbau bürokratischer Hürden werden angestrebt.
Viele junge Menschen engagieren sich im Rahmen der Freiwilligendienste und erbringen einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft. Wir wollen diese attraktiv gestalten. Wir wollen eine breite Teilnahme ermöglichen und bisher weniger erreichte Zielgruppen ansprechen. Damit die pädagogische Betreuung und Begleitung der Freiwilligendienstleistenden durch die Träger gestärkt wird, werden wir die Träger unterstützen.
Freiwilligendienstleistende erlernen wertvolle Kompetenzen. Wir werden prüfen, inwieweit diese als Ausbildungs- und Studienleistung anerkannt werden können.
Wir wollen den Zugang zu Mobilität für Freiwilligendienstleistende erleichtern und vergünstigen. Darüber hinaus ermöglichen wir einen vergünstigten Zugang zu Kulturangeboten.