Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

Perspektiven der HIV/STI/Hepatitis-Prävention in NRW

Foto: Madeby, photocase.deDas Land Nordrhein-Westfalen, die Freie Trägerschaft und die Kommunen vereinbarten 2009 eine engere Zusammenarbeit, um die Angebote der Prävention von HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) sowie die Hilfe-Infrastruktur landesweit gemeinsam weiterzuentwickeln (Rahmenvereinbarung über die Grundsätze zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung von Präventions- und Hilfemaßnahmen im Sucht- und AIDS-Bereich im Rahmen der Kommunalisierung in Nordrhein-Westfalen).

Auf dem „FORUM ZUKUNFT: HIV-Prävention in Nordrhein- Westfalen“ am 24. August 2023 in Düsseldorf reflektierten die oben genannten Akteur*innen der HIV/STI-Prävention zusammen mit weiteren Kooperationspartner*innen die Zusammenarbeit der vergangenen Jahre und bestimmten die Herausforderungen der Zukunft. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die HIV/STI-Prävention und die daraus ableitbaren Handlungsbedarfe sind in der Diskussion berücksichtigt worden.

Die Dokumentation enthält Zusammenfassungen der Vorträge, Workshops und Diskussionen. Außerdem finden Sie auf den Seiten 2 bis 7 eine Zusammenstellung der wichtigsten Handlungsfelder der Zukunft.

Die Dokumentation finden Sie hier (PDF). Eine Druckversion wird folgen.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ziele und Handlungsfelder der Zukunft sehen Sie auch hier:

Die Zielsetzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu HIV und Hepatitiden sind eine wesentliche Orientierung für die HIV/STI/Hepatitis-Prävention in Nordrhein-Westfalen.

Jenseits der konkreten infektionsbezogenen Festlegungen sammelten die Expert*innen als wesentliche Ziele der HIV/STI-Prävention der kommenden Jahre in Nordrhein-Westfalen:

  • Ganzheitlichkeit der Prävention weiterverfolgen
  • Prävention als langfristigen Prozess verstehen und bearbeiten
  • Menschen zu Entscheidungen befähigen
  • Selbstwirksamkeit als Präventionsziel etablieren
  • In der Lage sein, COVID 19 oder andere Pandemien, HIV, andere sexuell übertragbare Infektionen, Hepatitiden und Mpox etc. gleichzeitig zu bearbeiten
  • Gesamtes System krisenfest aufstellen

Die oben genannten WHO-Gesundheitsziele, medizinische, rechtliche und labortechnische Entwicklungen, das Aufkommen neuer Erreger (zum Beispiel Mpox) sowie die Perspektiven der gesamten Versorgungsstruktur, hier insbesondere der Fachkräfte-Mangel, werden die Zukunft der HIV/STI-Prävention prägen.

Als hilfreiche Maßnahmen haben die Expert*innen zusammengetragen:

  • Nutzung aller zur Verfügung stehenden Testmöglichkeiten, unter anderem Selbst- und Einsendetests
  • Aufgreifen der durch den Wegfall des sog. Arztvorbehaltes entstehenden Möglichkeiten der Testung und ggf. weiterer Tätigkeiten
  • Suche neuer Partner*innen, zum Beispiel Apotheken
  • Beteiligung an der Entwicklung neuer Versorgungsformen, wie zum Beispiel Gesundheitskioske
  • Verbesserung des Zugangs zur HIV-Präexpositionsprophylaxe und Ausdehnung auf weitere Zielgruppen
  • Fachliche und beraterische Begleitung der durch Multiplex-Geräte entstehenden Vielzahl von STI-Diagnosen und der zum Teil strittigen Notwendigkeit der Behandlung im Falle fehlender Symptomatik
  • Fachliche und beraterische Begleitung der Prä- und Post-Expositionsprophylaxe verschiedener STI
  • Beobachtung der Entwicklung ggf. entstehender Impfmöglichkeiten, zum Beispiel HPV-Impfung für schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben, oder Impfung gegen Gonorrhö, und ggf. Einbindung in vorhandene Angebote
  • Beachtung der Problematik zunehmender Antibiotika-Resistenzen bei der Gestaltung von Diagnostik und Behandlung
  • Verbesserung der Überleitung von der Diagnostik in die Behandlung

Hinsichtlich der Zielgruppen wurden von den Expert*innen folgende relevante Aufgaben benannt:

  • Zugang zu den verschiedenen Zielgruppen durch Projekte und Veranstaltungen (wieder) erschließen
  • Teilhabe ermöglichen: Neben den Themen HIV und STI im engeren Sinne müssen oft weitere Felder wie Existenz sicherung, Wohnung, Krankenversicherung usw. bearbeitet werden, um gute Rahmenbedingungen für die HIV/STI- Prävention sicherzustellen
  • Partizipation der Zielgruppen an der Entwicklung, Umsetzung und Bewertung von Angeboten intensivieren
  • Antworten auf die zunehmende Diversität der Zielgruppen finden
  • Mit den Konzepten und Angeboten der Vielfalt und Individualität von Menschen gerecht werden

Für die Gestaltung zukünftiger Angebote wurden folgende Aspekte als zielführend zusammengetragen:

  • Erweiterung der Angebote hinsichtlich der Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, der Kommunikationskanäle, des zeitlichen und inhaltlichen Umfangs der Testangebote, der Einbindung von Selbst- und Einsendetests sowie der schnellen Einbindung neuer Themen, zum Beispiel Mpox
  • Angebote zugehend und niedrigschwellig gestalten – auch außerhalb der bisherigen Örtlichkeiten, zum Beispiel in Bürgerzentren
  • Konzepte intersektionaler anlegen
  • Angebote inklusiver gestalten
  • Angebote der Prävention, der Beratung, des Tests/der Untersuchung sowie der Behandlung unter einem Dach entwickeln
  • Kostenlose Zugänge erhalten und schaffen
  • Sprach- und Kulturmittlung ermöglichen
  • Zum Teil müssen noch in der Pandemie entfallene Angebote wieder installiert und bekannt gemacht werden

Um den Zugang zu den vorhandenen Angeboten zu verbessern und Politik und Politikverwaltung für die Komplexität des Arbeitsfeldes zu sensibilisieren, sammelten die Expert*innen folgende Handlungsoptionen:

  • Regionale Öffentlichkeitsarbeit in Richtung der Zielgruppen verstärken
  • Nutzung unterschiedlicher Medien ausbauen, um die Wahrnehmung der Angebote grundsätzlich zu verbessern
  • Die Komplexität des Arbeitsfeldes und das Knowhow der beteiligten Akteur*innen für Veränderungsprozesse deutlich herausstellen

Um die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Prävention zu verbessern, haben die Expert*innen folgende Aktivitäten benannt:

  • Lücken und weiße Flecken in Prävention, Beratung und Versorgung in Nordrhein-Westfalen analysieren und bearbeiten
  • Ausreichenden Zugang zu Präventionsmaterial sicherstellen, zum Beispiel sterile Konsumutensilien für drogenkonsumierende Menschen
  • Ärztliche Leistungen auch in der Freien Trägerschaft ermöglichen
  • Hinderliche Rahmenbedingungen abbauen, zum Beispiel der wohnortbezogene Zugang zu Drogenkonsumräumen
  • Zugang zur gesundheitlichen Versorgung für alle sicherstellen
  • Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die HIV/STI-Prävention weiter beobachten, zum Beispiel Infektionszahlen, Zugang zu den Zielgruppen, Verschlechterung der gesundheitlichen Lage in einzelnen Zielgruppen

Als zentrale weitere Aufgaben, die zu einer erfolgreichen HIV/STI-Prävention beitragen, wurden von den Expert*innen angeführt:

  • Akzeptanz von HIV und Zielgruppenzugehörigkeit in den Feldern Gesundheitswesen und Arbeit weiterentwickeln, unter anderem durch die Intensivierung der Fachberatung und Fortbildung der entsprechenden Fachkräfte in diesen Arbeitsfeldern
  • Tabus hinsichtlich der Themen Sexualität und HIV in den Communities, unter anderem in der Community der Menschen aus Subsahara-Afrika, abbauen

Das Arbeitsfeld ist von einer hohen Komplexität und einem andauernden Wandel geprägt. Um auch in Zukunft angemessene Angebote zu entwickeln, wurden von den Expert*innen folgende Aufgaben bzw. Rahmenbedingungen benannt:

  • Pandemiebedingte positive Entwicklungen, zum Beispiel die zunehmende Digitalisierung, konzeptionell etablieren
  • Gemeinsame Qualitätsentwicklung durch Arbeitskreise, Fortbildungen usw. weiterführen
  • Konzept- und Strukturbildung für neue Herausforderungen ermöglichen, zum Beispiel Mpox
  • Kapazitäten für Weiterentwicklung schaffen

Die Corona-Pandemie hat insbesondere die Mitarbeiter*innen im Öffentlichen Gesundheitsdienst, aber auch in der Freien Trägerschaft besonderen Belastungen ausgesetzt. Zudem erschwert der Fachkräftemangel Stellen-Neubesetzungen. Die Pandemie hat zudem zu einem Rückgang des Einsatzes von Ehrenamtlichen geführt. Zu diesem Themenfeld wurden von den Expert*innen folgende Handlungsoptionen zusammengetragen:

  • Auftanken der Mitarbeiter*innenschaft ermöglichen
  • Fachkräfte-Suche systematisieren
  • Für das Ehrenamt werben und die Einsatzmöglichkeiten attraktiv gestalten

Die Infrastruktur der Freien Trägerschaft ist gefährdet, da die Finanzierung für den aktuellen Aufgabenbereich in vielen Fällen nicht mehr ausreicht. Die bisherige Digitalisierung der Ein richtungen reicht noch nicht aus, um auch in Zukunft zeitgemäße Angebote zu gestalten. Folgender Verbesserungsbedarf wurde von den Expert*innen angeführt:

  • Ausreichende Finanzierung der Freien Trägerschaft sicherstellen
  • Digitalisierung unterstützen

Die Corona-Pandemie sowie der Mpox-Ausbruch haben besonders deutlich gemacht, wie wichtig die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur*innen ist, um Angebote aufrecht zu erhalten oder neue Angebote schnell zu etablieren. Als Bereiche, in denen die Suche nach neuen Kooperationspartner*innen regional und landesweit intensiviert beziehungsweise die Zusammenarbeit verbessert werden sollte, wurden folgende Felder benannt: Migration, Versorgung und Justizvollzug.

Der Diskurs zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und der Freien Trägerschaft soll weiterentwickelt werden. Als Verbesserungsbedarfe wurden von den Expert*innen angeführt:

  • Transparenz der Struktur und Zuständigkeit verschiedener Gremien und Arbeitsstrukturen erhöhen
  • Zur konkreten Bestimmung von Bedarfen: Zielgruppenspezifische Konferenzen einrichten


Insbesondere bezogen auf die Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW wurden folgende Punkte zusammengetragen:

  • Effizienz der Gremienarbeit verbessern
  • Mehr Verbindlichkeit für Empfehlungen schaffen
  • Flexiblere Gestaltung ermöglichen (feste Termine und bei Bedarf spontane Zusammenkünfte)