Arbeitsgemeinschaft AIDS-Prävention NRW

Migrantinnen und Migranten brauchen besseren Zugang zu HIV- und STI-Beratung und Test

21.07.2016 - Migrantinnen und Migranten können ein erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare Infektionen (STI) und HIV haben. Zudem können verschiedene Faktoren den Zugang zu Prävention, Beratung und Testung einschränken.

2013 wurde bei 32,3 Prozent der Personen mit einer HIV-Neudiagnose ein anderes Herkunftsland als Deutschland angegeben. Knapp die Hälfte dieser Infektionen wurde vermutlich in Deutschland erworben. Nach Deutschland zugewanderte Menschen sind demnach eine hinsichtlich HIV epidemiologisch relevante und für Primärprävention wichtige Gruppe.


Robert Koch-Institut veröffentlicht Abschlussbericht der MiTest-Studie

Die Studie des Robert Koch-Institutes (RKI) zur Inanspruchnahme von HIV- und STI-Testangeboten durch Migrantinnen und Migranten in Deutschland (MiTest-Studie, 2014 – 2015, Projektleitung: Claudia Santos-Hövener, Projektkoordination: Adama Thorlie, Navina Sarma) sollte daher einen Einblick ermöglichen, wie gut Migrantinnen und Migranten das Angebot der HIV- und STI-Test- und Beratungslandschaft in Deutschland in Anspruch nehmen. Erhoben wurde die Sicht der anbietenden Akteurinnen und Akteure (Test- und Beratungsstellen, Schwerpunktpraxen und Beratungsstellen für Migrantinnen und Migranten).

Dazu wurden in sechs Städten (u.a. Köln) Fokusgruppendiskussionen mit Expertinnen und Experten aus diesen Einrichtungen durchgeführt, die Praxiserfahrungen zu Barrieren, Herausforderungen und Lösungsansätzen diskutierten. Ergänzt wurde diese qualitative Methode mit einem quantitativen Fragebogen zur Erhebung von Informationen zur aktuellen Testpraxis teilnehmender Einrichtungen.


Empfehlungen

In einem abschließenden Workshop wurden gemeinschaftlich praxisrelevante Empfehlungen für einen optimierten Zugang zu HIV- und STI-Testangeboten entwickelt.

Generell muss der Zugang zu HIV-und STI-Testung gewährleistet sein und darf nicht durch einen ungeregelten Aufenthaltsstatus, fehlende Krankenversicherung, fehlende Deutschkenntnisse, finanzielle Limitationen oder andere, durch den Migrationsprozess bedingte Aspekte eingeschränkt sein. Bestehende Barrieren müssen effektiv und langfristig abgebaut werden. Daraus ergeben sich folgende konkrete Handlungsbedarfe:

Die Grundvoraussetzung für ein ethisch vertretbares HIV-Testangebot in Deutschland ist die uneingeschränkte Gewährleistung einer Behandlung bei einem positiven HIV-Testergebnis. Dies gilt auch für Personen ohne gültigen Aufenthaltsstatus und ohne Krankenversicherung. Der Aufenthalt in Deutschland darf dabei nicht gefährdet sein.

In die Planung und Durchführung politischer Prozesse und Entscheidungen, sowie in Forschung und Praxis müssen Migrantinnen und Migranten grundsätzlich aktiv eingebunden sein.

Damit für alle Menschen ein besserer Zugang zu HIV-und STI-Testung und -Beratung gewährleistet ist, sollten ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Bund, Länder und Kommunen müssen sich den Herausforderungen stellen und ein gesichertes und langfristigen Finanzierungskonzept entwickeln. Einrichtungen sollten entsprechend ihrer Funktion ausreichend personell und finanziell ausgestattet sein.

Die Voraussetzung für bedarfsangepasste Angebote ist die wissenschaftliche Begleitung von Maßnahmen und Angeboten. Durch eine kontinuierliche Bedarfsermittlung ist es möglich, Angebote an die dynamische Situation anzupassen. Qualitativ hochwertige Angebote erfordern Standards, regelmäßige Evaluation und Supervisionen für das Personal (auch für Sprach-und Kulturmittelnde).
Es sollten Identifikationsflächen vorhanden sein. Zentral hierbei ist die Sicherstellung von Kultur-und Sprachmittlung in allen Einrichtungen. Dies kann, neben den Sprachkompetenzen der Mitarbeitenden, durch die Einrichtung von Kultur-und Sprachmittlungspools oder die Einbindung von professionellen Kultur-und Sprachmittelnden als feste Teammitglieder umgesetzt werden. Möglichkeiten der Qualifizierung und Zertifizierung von Sprach-und Kulturmittelnden sollten unterstützt werden.
Für einige Gruppen sind niedrigschwellige Angebote von großer Bedeutung. Dazu gehört die gezielte Ansprache durch aufsuchende Arbeit, die ausgebaut werden sollte.

Die HIV-Testung muss im Sinne der Menschenrechte und nach internationalen Standards erfolgen. Dazu gehört die Einstellung der HIV-Testung ohne Beratung und ohne Einholung einer Einverständniserklärung bei Menschen im Asylverfahren. Auch die HIV-und STI-Testung ohne Möglichkeit einer Behandlung ist ethisch nicht vertretbar.

Durch Sensibilisierung für das Thema sexuelle Gesundheit und HIV des Personals in den Test-, Beratungs-, und Versorgungseinrichtungen, sowie durch Anerkennung von Diversität und Förderung der Kultursensibilität kann Diskriminierung und Stigmatisierung entgegen gewirkt werden. Eine kultursensible Sprache sollte gefördert und die Heterogenität von Migrantinnen und Migranten bezüglich beispielsweise Identität, sexueller Orientierung, rechtlichem Status und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Szene mitgedacht werden.
Fortbildungen zum Thema könnten durch Fortbildungspunkte für Ärztinnen und Ärzte attraktiv gemacht werden.

Netzwerke müssen weiterhin etabliert und gestärkt werden - sowohl auf kommunaler als auch auf Bundesebene. Dabei sollten Akteurinnen und Akteure aus der HIV-und STI-Testung und -Beratung, der Beratung für Migrantinnen und Migranten, der Ärzteschaft, der Community und der Wissenschaft eingebunden sein.

Den Abschlussbericht der MiTest-Studie des RKI finden Sie unter rki.de.